„All das lassen wir nie wieder zu!“

22. März – Hildesheimer Friedenstag

Der Hildesheimer Friedenstag, der in diesem Jahr bereits zum achten Mal stattfand, ist nicht nur ein Symbol für die Hoffnung auf eine friedlichere Welt, sondern auch eine Erinnerung an die dunklen Tage der Vergangenheit. Vor 79 Jahren, im Jahre 1945, wurde die Stadt Hildesheim durch Bombardierungen schwer getroffen, was zu Zerstörung und Leid führte. Doch aus den Trümmern dieser dunklen Zeit ist ein Tag des Friedens und der Versöhnung entstanden. Dieser besondere Tag wird durch bedeutende Ereignisse wie die Friedensrede einer Friedensnobelpreisträgerin sowie die Verleihung des Hildesheimer Friedenspreises geprägt. Diese Auszeichnungen und auch einige öAnsprachen erinnern daran, dass der Weg zum Frieden nicht nur durch Erinnerung und Gedenken, sondern auch durch aktives Engagement und konkrete Maßnahmen geprägt ist.

Doch welche Auswirkungen hatte die Bombardierung am 22. März 1945 auf Hildesheim? Die komplette Innenstadt war zerstört. Mehr als 80 Prozent der Häuser waren innerhalb weniger Minuten dem Erdboden gleich gemacht. Am Friedenstag hören wir für einige Zeit die Kirchenglocken. Dieses Läuten stellt genau die Zeit und Dauer des Angriffs da. Die ganze Innenstadt sah aus, wie ein riesiger brennender Schutthaufen und mehr als die Hälfte der Hildesheimer Bevölkerung, die diesen Angriff überlebte, war obdachlos. Der Luftangriff galt zu der Zeit als Demoralisierung mit beabsichtigten Opfern, woraus nur Hass und Feindschaft entstand.

Quelle: Stadtarchiv Hildesheim
Quelle: Stadtarchiv Hildesheim

Hier sind die Auswirkungen zu sehen….

Im Gedenken daran findet am 22. März der Friedenstag statt und er wurde dieses Jahr in der Andreaskirche mit einer Ansprache des Hildesheimer Oberbürgermeisters Dr. Ingo Meyer „eröffnet“. Im Verlauf der Rede wurden einige Dinge sehr deutlich, die wir hier mit vereinzelten Zitaten darstellen wollen:
1: „Hass hat in unserer Stadt keinen Platz.“
2: „Wir müssen uns auf den Frieden besinnen.“
3: „…aber das lassen wir nie wieder zu.“
Nach den Förmlichkeiten haben wir noch ein kurzes Interview mit Dr. Ingo Meyer geführt, lest dazu weiter unten.
Weiter ging es dann mit einer biblischen Lesung und einer Schweigeminute, worauf die Vergabe des Hildesheimer Friedenspreises folgte, welcher dieses Jahr an die Organisation „Abrahams Runder Tisch“ ging. Auch dem Vorsitzenden dieser Organisation haben wir in einem separaten Gespräch noch ein paar Fragen stellen dürfen.

Emin Tuncay – Vorsitzender der Organisation „Abrahams Ruder Tisch“
Preisverleihung mit den Mitgliedern der Organisation und Dr. Ingo Meyer

1. Was bedeutet Frieden für Sie?

Frieden bedeutet für mich das harmonische Zusammenleben aller Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft, Religion oder Weltanschauung. Es ist ein Zustand innerer Ruhe und harmonischen Miteinanders, in dem Konflikte friedlich gelöst werden und gegenseitiger Respekt sowie Verständnis vorherrschen. Wie ich auch in meiner Friedenspreis-Verleihungsrede betonte: Ich habe durch unsere langjährige Zusammenarbeit und Reflexion unter den Angehörigen anderer abrahamitischer Religionen für mich festgestellt, wie wertvoll die Vielfalt der Kulturen und Religionen ist und dass der Frieden mit dem Nächsten eher möglich ist, wenn man inneren Frieden erlangt hat, was mit der Stärke des Glaubens an Gott leichter zu erreichen ist. Das Zusammenspiel von Frieden mit Gott, Frieden mit sich selbst und Frieden mit dem Nächsten sowie die Verantwortung für die Natur und die Bewahrung der Schöpfung kann so in Harmonie existieren.

2. Sie sind Vorsitzender der Organisation „Abrahams Runder Tisch Hildesheim“, was sind die Beweggründe für Ihr ehrenamtliches Engagement?

Mein ehrenamtliches Engagement bei Abrahams Runder Tisch Hildesheim entspringt dem Wunsch, Frieden und Akzeptanz zwischen den Angehörigen verschiedener Religionen zu fördern und Gemeinsamkeiten zu entdecken. Das Leben wird in einer globalisierten Weltengemeinschaft immer bunter, multikultureller und multireligiöser. Durch die Öffnung und Motivation der Einzelnen für Verständigung kann jeder einen wichtigen Beitrag für ein friedlicheres Zusammenleben leisten.

3. Können Sie uns etwas zur Entstehung erzählen?

Im Jahre 1996 versammelten sich Angehörige verschiedener abrahamitischer Religionen an einem gemeinsamen Tisch. Juden, Christen, Muslime und Bahai kamen zusammen, um zu erforschen, ob es Gemeinsamkeiten in ihren religiösen Traditionen gibt. Schnell wurde klar, dass es zahlreiche Gemeinsamkeiten gab, die es ermöglichten, die Trennlinien zwischen ihren Religionen zugunsten eines friedlichen Zusammenlebens zu vernachlässigen. Dieses Bewusstsein wollten sie in die Gesellschaft tragenund aus diesem Arbeitskreis entstand der Abrahams Runder Tisch. Von Anfang an verstand sich die Organisation als Raum für interkulturellen und interreligiösen Dialog, in dem Menschen unterschiedlicher Glaubensrichtungen zusammenkommen können, um den Frieden zu fördern.

4. Gibt es ein Ereignis, welches Sie in Ihrem Ehrenamt besonders bewegt hat?

Es gab viele bewegende Ereignisse während meiner Zeit im Ehrenamt. Im Jahre 1999 war ich Vorsitzender der Türkei-Erdbeben-Hilfe e.V. und wir haben erfolgreich ein durch ein Erdbeben stark beschädigtes Waisenhaus in der Türkei wiederaufgebaut. Besonders bewegend war für mich jedoch meine über 25-jährige Tätigkeit als ehrenamtlicher Dialogbeauftragter bei der türkisch-islamischen Gemeinde und die Unterstützung meiner jüdischen Freunde. Während der Terroranschläge vom 11. September 2001 in New York war es für Muslime weltweit eine sehr schwierige Zeit. Mein geschätzter Freund Wolf Georg Eickstedt unterstützte Muslime in Hildesheim bei Podiumsdiskussionen und warnte vor pauschalen Verurteilungen.

Es erfüllte mich stets mit großer Freude, bei Abrahams Runder Tisch zu erleben, wie die Erarbeitung von Gemeinsamkeiten aus den heiligen Schriften verschiedener Religionen Brücken des Verständnisses bauen konnte. Unsere jahrelange geschwisterliche Zusammenarbeit zwischen Juden, Christen und Muslimen war besonders wertvoll, da wir sie der Gesellschaft präsentierten und zu einem positiven und freundlichen Klima beitrugen. Dies ermöglichte es beispielsweise, dass letztes Jahr eine weltberühmte Islam-Ausstellung im Dom-Museum Hildesheim stattfinden konnte. Im Jahre 2008 wurden wir mit dem Ehrenamtspreis ausgezeichnet und durch unsere gemeinsame Arbeit an einer Ägypten-Ausstellung mit dem RPM erhielten wir den Wissenschaftspreis Pro Academia. Schließlich wurden wir mit dem Friedenspreis Hildesheim 2024 geehrt.

5. Was hat sich in den letzten Jahren in Hildesheim zum Thema Frieden positiv entwickelt?

In den letzten Jahren hat sich in Hildesheim ein positiver Trend in Bezug auf Frieden entwickelt, indem verstärkt der interreligiöse Dialog und die Zusammenarbeit gefördert wurden, um das gegenseitige Verständnis zu stärken. Dadurch ist besonders ein geschwisterliches Klima unter Angehörigen verschiedener Religionen entstanden.

6. Welche Herausforderungen sehen Sie aktuell im Bereich interreligiöser Dialog und wie begegnet Ihre Organisation diesen?

Aktuelle Herausforderungen im interreligiösen Dialog sind unter anderem Vorurteile und Stereotypen. Unsere Organisation begegnet ihnen durch Aufklärung, Bildungsarbeit und den direkten Austausch zwischen den Religionsgemeinschaften.

7. Wie können junge Menschen dazu beitragen, Vorurteile und Stereotypen gegenüber anderen Religionen abzubauen?

Junge Menschen können dazu beitragen, Vorurteile und Stereotypen gegenüber anderen Religionen abzubauen, indem sie sich aktiv für interkulturellen Austausch engagieren, offen für neue Erfahrungen sind und sich mit den Gemeinsamkeiten der Religionen auseinandersetzen. Sie sollten sich mit Angehörigen anderer Kulturen und Religionen austauschen, verschiedene Gemeinden besuchen, Fragen stellen und im Dialog bleiben. Wenn Menschen miteinander sprechen, entstehen weniger Vorurteile. Als Abrahams Runder Tisch organisieren wir solche Gemeindebesuche. In unseren Flyern ist die telefonische Kontaktaufnahme für Moschee-, Synagogen- und Kirchenbesuche vermerkt.

8. Wie können Schülerinnen und Schüler dazu beitragen, eine inklusive und respektvolle Gemeinschaft in ihrer Schule und darüber hinaus zu fördern?

Schülerinnen und Schüler können eine inklusive und respektvolle Gemeinschaft fördern, indem sie Mobbing und Diskriminierung entgegentreten und sich durch kultursensible Begegnungen weiterbilden. Auf diese Weise können sie auch Vorurteile gegenüber anderen Religionen abbauen. Sie sollten sich aktiv für Dialog, Toleranz und Respekt einsetzen, indem sie an interkulturellen Veranstaltungen teilnehmen und sich für die Gemeinsamkeiten zwischen den Religionen interessieren.

Eine Möglichkeit dazu wäre zum Beispiel, sich bei Abrahams Runder Tisch zu engagieren.

9. Welche Botschaft möchten Sie an junge Menschen weitergeben?

Meine Botschaft an junge Menschen ist, dass sie die Vielfalt der Kulturen und Religionen als Bereicherung sehen sollen. Sie können sich für Frieden und Verständnis einsetzen und aktiv dazu beitragen, eine bessere Welt zu gestalten. Ich bin beeindruckt von eurem Engagement und eurer Offenheit als Schülerinnen und Schüler. Euer Beitrag zu einem harmonischen kulturellen Miteinander, allein durch dieses Interview, gibt Hoffnung für die Zukunft.

– Emin Tuncay

Nach einem Wortbeitrag von Emin Tuncay kamen wir zu der besonderen Hildesheimer Friedensrede, welche dieses Jahr von der Friedensnobellpreisträgerin Prof. Dr. Irina Scherbakowa gehalten wurde.

Quelle: Ingomeyer.hi / www.Hildesheim.de
Links im Bild ist Frau Prof. Dr. Irina Scherbakowa zu sehen, rechts unser Oberbürgermeister Dr. Ingo Meyer

Jetzt kommen wir auf das Interview mit Herrn Dr. Ingo Meyer zurück.

Was bedeutet Frieden für Sie? 
Das ist eine große Frage. In Europa haben wir Frieden lange Zeit als Normalität empfunden. Auch ich bin deutlich nach dem Krieg geboren worden und es war für mich in meiner Kindheit und Jugend ganz normal, dass wir im Frieden gelebt haben. Als dann die Grenzen auch alle fielen, konnte man sich komplett frei bewegen. Das ist unsere Normalität. Wenn man sich anschaut, was im 2. Weltkrieg passiert ist und was aktuell beispielsweise im Ukrainekrieg in Europa erneut passiert oder bei uns in Hildesheim vor 79 Jahren stattfand, ist Frieden nicht normal und man weiß oder lernt die Unterschiede zu schätzen. Genau aus dem Grund ist der Frieden so wichtig. Wir müssen uns einerseits daran erinnern, was eigentlich in der Zeit von 1933 bis 1945 hier geschehen ist und wozu das geführt hat (also z.B. Nationalismus und Großmachtstreben). Und natürlich die Frage stellen, was das in der heutigen Zeit oder für die heutige Zeit bedeutet. Es ist eben leider nicht so, dass heute noch genügend Menschen wissen, dass es wichtig ist, sich diesen Frieden zu bewahren. – Denn leider gibt es immer noch Kriege auf der ganzen Welt verteilt und das ist eigentlich fürchterlich.

Was ist Ihre persönliche Motivation und Inspiration für Friedensarbeit?
Den Frieden zu bewahren. Es ist leider Fakt, dass die Zeitzeugen alle nach und nach versterben. Es gibt kaum noch Menschen, die diesen Krieg miterlebt haben und wissen, wie schrecklich all das ist und sein kann. Genau das wollen wir, wir sagen immer ˋnie wieder´, also nicht wieder erfahren müssen. Ich glaube, dafür lohnt es sich zu kämpfen und sich einzusetzen, dass das nie wieder passiert. Auf der anderen Seite müssen wir aber eben auch anerkennen, dass es nicht anders möglich war den Krieg zu beenden, als das „Nazideutschland“ letztendlich zu besiegen.

Sie sind seit 2014 Bürgermeister  – was hat sich Ihrer Meinung nach in ihrer Amtszeit in diese Richtung positiv entwickelt?
Ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob sich dahingehend etwas positiv entwickelt hat. In Hildesheim hat sich positiv entwickelt, dass wir mittlerweile den achten Friedenstag in dieser Form ausführen. Meiner Ansicht nach ist es ein gutes Format, welches von der Erinnerungskultur in die Gegenwart übergeht, um auch zu zeigen, dass es eben nicht einfach nur Geschichte ist, die sich nicht wiederholt. Frau Prof. Dr. Irina Scherbakowa hat eben in ihrer Friedensrede gesagt, dass man leider aus Geschichte viel zu selten lernt. Genau das darf uns nicht passieren. Wir müssen daraus lernen. – in der Welt hat sich in dieser Zeit aber leider sehr viel in die negative Richtung geändert.

Gibt es Wünsche, was sich dahingehend bei uns in Hildesheim ändern sollte?
Ja! Dass immer mehr Leute, auch wenn die Kirche heute schon gut gefüllt war, hierher kommen, sich mit unserer Geschichte auseinandersetzen und dass wir gemeinsam unseren Friedenstag feiern können. Besonders die Jüngeren. Denn je weiter wir wegkommen vom Zeiten Weltkrieg und die Erfahrungen nicht mehr geteilt werden können an die jüngeren Leute, damit diese es weitergeben können, desto weniger ist man damit konfrontiert und es gerät einfach in Vergessenheit.

Haben Sie Tipps, wie Schüler zur Förderung des Friedens beitragen können?
Ich lade natürlich dazu ein, jedes Jahr am 22. März zu uns in die Andreaskirche zu kommen, und hoffe, dass die Lehrerinnen und Lehrer sich mit diesem Thema auseinandersetzen und das Thema ihren Schülern vermitteln können.

– Dr. Ingo Meyer

Zusätzlich haben wir auch den Pastoren Dr. Janis Berzins (Andreaskirche) und Peter Noß-Kolbe (Lambertikirche) Fragen gestellt, die uns interessiert haben.

Quelle: Loccum
Pastor Peter Noß-Kolbe
Lambertigemeinde (ALM)
Quelle: Loccum Kirchenmusiker
Pastor Dr. Janis Berzins
Andreasgemeinde (ALM)

Was ist Frieden für Sie?
Peter Noß-Kolbe:
Frieden ist für mich, wenn die Welt bunt ist, wenn die Diversität überall gelebt werden kann, wenn Menschen, Dinge, die Welt und die Schöpfung und Gott alle so in Kombination zusammen existieren können, dass es das Leben reicher, voller und freundlicher macht.

Dr. Janis Berzins:
Ich glaube, dass Frieden mehr ist, als nur die Abwesenheit von Krieg und Gewalt. Ich glaube, dass Frieden eine Art des Zusammenlebens ist, welche den anderen wertschätzt, die in einer Beziehung mit den anderen ist und deswegen sehr erstrebenswert ist. Es gibt meiner Meinung nach diesen „faulen Frieden“, der unterdrückt, und es gibt den „guten Frieden“, der davon lebt, dass Menschen miteinander in Kontakt treten und mit ihrer Beziehung zueinander wertschätzend umgehen.

Was sind Ihre Ansichten zu Gewaltprävention und zwischenmenschlicher Konfliktlösung?

Peter Noß-Kolbe:
Ich finde alle müssen versuchen, von ihren Ansichten etwas zurückzugehen und auch mal den Horizont ein bisschen weiter werden zu lassen. Mann muss die Idee haben, dass die anderen, die etwas Anderes denken, auch ein Stück Recht haben könnten. Ihre Meinung und Sicht auf die Dinge kann auch richtig sein, nicht nur meine. Ich würde immer versuchen mit Mediation in diese Situationen zu gehen. Ich habe die Weisheit und die Wahrheit nicht mit Löffeln gefressen.

Dr. Janis Berzins:
Man muss es tun. Was gehört dazu? – Man muss wachsam sein, die andere Person mir ihren Bedürfnissen wahrnehmen, versuchen sich einzudecken, Empathie, davon auszugehen, dass die andere Person eine Sichtweise auf bestimmte Dinge haben wird, die von meiner Sichtweise abweicht, aber trotzdem Elemente von Wahrheit enthalten kann. Sie sieht etwas, was ich möglicher Weise nicht sehe. Dann ist es wichtig, sich miteinander zu verständigen, miteinander zusammenzukommen und sich auszutauschen und dann nicht sozusagen faule Kompromisse zu treffen, sondern daran zu arbeiten, dass man übereinander kommt, dass man sich miteinander austauschen und sich gegenseitig verstehen kann. Man muss merken, dass die Welt reicher sein könnte, wenn man genau da mehr versteht und von den Anderen noch etwas dazu lernt, vielleicht auch einen anderen Blick auf die Welt zu bekommen und festzustellen, dass es immer mehr Dimensionen gibt, als die, auf die man sich gerade fokussiert hat. – Genau das ist der Ansatz.


Welche Erfahrungen haben Sie mit Friedensarbeit in der Gemeinde oder weltweit schon machen können?

Peter Noß-Kolbe:
Ich bin ja erst seit einem halben Jahr hier in der Gemeinde und kann insofern sagen, dass es in der Lambertigemeinde gar keinen Streit gibt, was ich erstmal toll finde, wodurch erstmal auf so einer „Oberfläche“ alles friedlich ist. Dann weiß ich aber natürlich auch, dass es noch unterschiedliche Demensionen gibt. Natürlich gibt es hier und da zwischendurch auch mal einen Konflikt, in den ich persönlich aber noch nicht hineingeraten bin.

Dr. Janis Berzins:
Für mich war in meiner alten Gemeinde die Taizéarbeit eine wesentliche Friedensarbeit. Wir sind dann immer nach Taizé gefahren. (liegt in Frankreich) Man ist mit unterschiedlichen Menschen gemeinsam im Gespräch und ist gemeinsam unterwegs. Das war an der Stelle für mich ein wesentlicher Punkt. Ansonsten gehören natürlich auch immer mal anlassbezogene Friedensgebete dazu.

Was ist Ihre persönliche Motivation und Inspiration für Friedensarbeit?

Peter Noß-Kolbe:
Dass die Welt besser wird!

Dr. Janis Berzins:
Naja, als Christ und als Pastor würde ich sagen, es kommt genau daher: „Selig sind die Friedensstifter“, heißt es in der Bergpredigt. Ich glaube, dass es ein sinnvoller Ansatz ist, sich dafür einzusetzen, dass Menschen friedlicher miteinander zusammenleben. Was Frau Prof. Dr. Scherbakowa in ihrer Friedensrede schon gesagt hat, war, dass Sie mit der Vision aufgewachsen ist, dass die Welt eine friedlichere wäre und Kriege eigentlich nur noch „Betriebsunfälle“ seien. Und ich habe das Gefühl, dass sich genau diese Version, diese Selbstverständlichkeit, gerade auflöst, was mich sehr beunruhigt, und trotzdem würde ich sagen, dass es um so wichtiger ist, sich genau dafür einzusetzen und daran zu arbeiten.

Gibt es etwas, was Sie uns Schülern mit auf den Weg geben wollen?

Peter Noß-Kolbe:
Macht unbedingt so etwas wie Streitschlichter oder Partenschüler. Macht ganz viel Präventionsarbeit von der 5. Klasse bis zur 13. Klasse, verliert das Thema nie aus den Augen und nehmt es auch mit in euren Alltag. Ihr habt wirklich das Riesenpotential, die Welt für euch besser zu machen. Dafür wünsche ich euch wirklich richtig viel Power!

Dr. Janis Berzins:
Ihr müsst euch dafür einsetzen und daran arbeiten. Ihr müsst lernen, wo „die Wurzel des Unfriedens“ sitzt. Zerstören geht immer leichter als aufbauen. Wenn Menschen nicht sehr viel können, dann können sie oft aber zumindest Gewalt ausüben und damit irgendwie das Gefühl einer „Selbstwirksamkeit“ herstellen. Das bedeutet, dass Menschen sich sehen und sagen: „Ich kann etwas bewegen und wenn es einfach nur ist, dass etwas hinterher kaputter ist als vorher.“ Ich glaube, das ist sozusagen das, weshalb Menschen sich so schnell zur Gewalt verführen lassen – und das darf und sollte nicht sein. Auch die Erwachsenen verfallen immer wieder in das gleiche Muster, dann doch zu sagen, dass, wenn sie etwas kaputt machen, sie wenigstens merken, dass sie jemand sind und dass sie etwas bewirken können. Es tut gut, das festzustellen, keine Frage, aber die Zerstörung ist da auf jeden Fall der falsche Weg. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man wirklich damit glücklich ist, wenn man andere kleinmacht, anderes zerstört, wenn man Scherben hinterlässt. Denkt mal darüber nach…

Lina und Nicolai